Interview mit Alex Scholpp, dem Gitarristen der Farmerboys

von Hansi Tietgen

?PG: Eure Melodielinien sind, betrachtet man einmal den sonstigen Härtegrad eures Sounds, ungewöhnlich ausgedehnt und variantenreich. Man hat sofort die Assoziation 80er Jahre New Wave bzw Pop Musik. Wer von euch hat diese Einflüsse ins Spiel gebracht?

!AS: Mattes (Sänger) und ich teilen uns den Songwriting Job. Die Heaviness fällt in meinen Zuständigkeitsbereich und er ist-im Normalfall- mehr für die Melodieabteilung verantwortlich. Aber ganz so krass,wie sich das jetzt anhört, ist die Trennung dann doch nicht, denn auch ich stehe- als Kind der 80er Jahre- auf den Sound von Bands wie Depeche Mode oder Aha. Ich würde mir sogar heute noch eine Aha Best Of CD kaufen. Take On Me war ne' geile Nummer. Wir sind eben eine sehr offene Band und stehen auf Kontraste. Beim Hören unserer Musik kommt es mir manchmal so vor, als würde man zwei unterschiedliche Songs gleichzeitig abspielen. Mattes, häufig fast schon chansonartig anmutende Melodien und meine brettharten Riffs: Zwei Welten treffen aufeinander. Aber genau das macht es ja aus. Wenn ich eine cleane Rhythmusgitarre drunterlegen würde, wäre alles wieder völlig normal. Doch das ist nicht unser Ziel! Ganzheitlich betrachtetn sehen wir uns eben eher in der Tradition von Bands wie Faith No More. Zwar nicht unbedingt musikalisch, aber von ihrer Offenheit im Umgang mit den unterschiedlichsten Stilrichtungen. Wir haben immer versucht möglichst tolerant mit den jeweiligen Vorlieben unserer Mitmusiker umzugehen.

?PG: In eurem Info habe ich gelesen, dass ihr den Endmix bei Siggi Bemm in den Hagener Woodhouse Studios gemacht habt. War der nicht auch mal Leib und Magen-Tonkutscher von Philip Boa?

!AS: Ja, genau. Siggi hat schon unsere ersten beiden Alben gemischt. Diesmal sollte es eigentlich etwas anders laufen. Wir hatten uns Steve Lyon (Depeche Mode) als Produzenten ausgeguckt und wollten die Basistrax, ganz entspannt, in Philip Boas Studio auf Malta aufnehmen. Die ganze Aktion gestaltete sich dann aber mehr als schwierig, da unser Equipment zwei Wochen zu spät ankam und wir somit erst einmal gar nichts machen konnten.

?PG: Auf Malta vielleicht gar nicht so übel, oder?

!AS:Ne, uns hat es da überhaupt nicht gefallen. Malta ist ein einziger Steinhaufen. Es war ziemlich langweilig. Die dritte der vier Sehenswürdigkeit der Insel ist Popeye Village. Hier wurde vor einigen Jahren ein Film mit Robin Williams gedreht und die Kulissen sind eben übriggeblieben und dienen jetzt als Touristenfalle. Das ist wenig prickelnd. Na ja, wir haben dann rumgehangen und gewartet bis endlich unser Zeug eintraf. Lange Rede, kurzer Sinn. Durch die Warterei verloren wir soviel Zeit das wir die Aufnahmen nicht komplett fertigstellen konnten. Also sind wir zurück nach Stuttgart,um uns erst einmal um die Vocals zu kümmeren. Zeitgleich startete in Hamburg das Projekt End-Mix. Die Bänder haben wir auf dem Postweg hin- und hergeschickt. Während des Mixes merkten wir sehr schnell, dass Steve nicht der richtigen Mann für diese Tätigkeit war. Die Aufnahmen klangen uns viel zu sehr nach Alternative- oder Grunge, eben schwachbrüstig. Also zogen wir die Notbremse und ich setzte mich mit Siggi in Verbindung. Der hatte Zeit und spielte die Sound-Feuerwehr und hat so die Karre aus dem Dreck gezogen.

?PG: Ihr arbeitet auch sehr viel mit Sequenzing. Wie macht ihr das auf der Bühne? Spielt ihr ausschließlich mit Klick?

!AS: Ja, anders lässt es sich halt nicht managen. Ist aber auch kein Problem. Wir sind das permanente auf dem Klick spielen gewohnt und fühlen uns durch das exakte Timing auch nicht unter Druck gesetzt.

?PG: Viele eurer Nummern leben von genau dieser absoluten Präzision. Hast du früher schon mit Metronom geübt oder woher stammt deine Fähigkeit, dich so exakt auf einen Beat draufsetzen zu können?

>!AS: Ich übe eigentlich immer mit Klick. Wenn wir unterwegs sind und es geht ans Aufwärmen, dann schnappe ich mir mein Korg Pandora mit integriertem Metronom und drehe erst einmal ein paar Runden. Das Pandora ist echt super, da es mir neben den richtigen Grooves auch richtig amtliche Gitarrensounds liefert. Ohne Klick finde ich die Überei vollkommen uninteressant. Der Groove und der Rhythmus sind halt das Wichtigste, gerade wenn man das Gelernte irgendwann auch im Bandzusammenhang einsetzen will. Hat man mit dem Metronom geübt, weiß man sofort wo es langgeht und kann neue Riffs und Lix ohne langes herumchecken, sofort mit dem Drummer umsetzen. Aber das Ganze hat auch einen anderen Vorteil. Im Studio doppele ich alle Gitarrenriffs. Da ich sehr exakt spielen kann, bereiten mir solche Aktionen natürlich relativ wenig Probleme. Ich habe zuhause ein Tascam 4-Spur Teil und eine meiner grössten Herausforderungen war schon früher, zu versuchen, die einzelnen Gitarrenstimmen möglichst tide übereinander aufgenommen zu bekommen. Nur so kriegt man die Power hin, die ein Markenzeichen unseres Sounds ist.

?PG: Wo wir gerade bei Früher sind. Wie bist du eigentlich zur Gitarre gekommen?

!AS: Mein persönlicher Initialzünder waren Metallica. James Hetfield hat mich damals schon ziemlich beeindruckt. Meine Lieblingsalben waren Ride The Lightnin' und Master Of Puppets. Den ersten Metallica Riff Seek And Destroy, habe ich auf einer Konzertgitarre gespielt, die ich von meinen Eltern geschenkt bekommen hatte. Mein grösster Traum war aber immer eine E-Gitarre. Schon als Junge bastelte ich mir eine Flying V aus Styropor und habe damit gepost, was das Zeug hielt. Eine zeitlang war ich dann Stammgast in den einschlägigen Musikläden und habe das Personal mit Fragen genervt.

?PG:Hattest du Unterricht?

>!AS: Ja, am Anfang schon. Mit elf bekam ich besagte Akustik-Klampfe und Unterricht. Ich war in einer Gruppe mit zwei Mädels und wir haben dreistimmige Fugen von Bach gepaukt. Zum Glück hatte ich einen coolen Lehrer, denn zwischendurch zeigte er mir regelmäßig irgendwelche Metallica Riffs. Später, als ich endlich auf die E-Gitarre umgesteigen konnte, half er mir dabei, Mitmusiker zu finden und wir gründeten unsere erste Band. Irgendwann hörte ich dann mit dem Unterricht auf und konzentrierte mich voll auf die Bandaktivität. Im nachhinein muss ich aber feststellen, dass ich in meiner Unterrichtszeit doch sehr viel gelernt habe. Ich bin zwar kein besonders guter Vom Blatt Spieler geworden, habe aber zumindest einigermaßen den Durchblick, was abgeht. Sehr positiv auf mein Übeverhalten hat sich dann auch meine Tätigkeit als Verkäufer in einem Musikladen ausgewirkt. Jeder der anderen Verkäufer konnte irgendwelche Riffs und Lix spielen. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt nur meinen eigenen Kram kannte, trat ich irgendwie auf der Stelle. Der Einfluss von außen tat mir sehr gut und ich fing an, mich wieder intensiv mit der Überei auseinanderzusetzen. Da ich sozusagen an der Quelle saß, nahm ich mir einige Bücher mit nach Hause und lernte zwei Jahre was das Zeug hielt.

?PG: Zurück zur Band. Ich habe in eurer Bio gelesen, dass ihr auch einige grössere Jobs in den Staaten gespielt habt. Was genau ist da gelaufen und wie seit ihr eigentlich an die Gigs gekommen?

!AS:Wir waren 1994 das erste mal drüben. Damals spielten wir im Foundations Forum in L.A., einer Art Pop Komm des Heavy Metal. Der Gig war der erste Preis des Wettbewerbs Beste Unsigned Band des Magazins Rock Hard. Das Ganze war schon ein ziemlich krasses Erlebnis. In unserem Hotel sprangen die Grössen des Metal rum. Es ist schon interessant, wenn plötzlich Lemmy von Motorhead mit dir im Aufzug steht, oder die Jungs von Testament mit dir am Frühstückstisch sitzen. Coole Sache! Die wichtigste Connection die wir damals mit nach Hause nahmen, war die zum Chef der Vans Warp Tour. Als wir wieder zurück in Deutschland waren, rief er mich an und erzählte mir, dass ihm unsere Musik sehr gut gefallen hatte. Im gleichen Atemzug machte er uns das Angebot uns einfach bei ihm zu melden wenn wir Lust dazu hätten, mal mit auf Tour zu gehen. Nachdem wir unser zweites Album rausgebracht hatten, nahmen wir das Angebot war. Es war unglaublich. Wir hatten unseren eigenen Nightliner und standen zusammen mit den Deftones und Bad Religion auf der Bühne. Die Tour ging von Phoenix über San Diego nach L.A und hoch nach Seattle. Insgesamt waren wir 14 Tage unterwegs.

?PG: Und wie kommt man so als deutsche Band an? Wie war die Publikumsresonanz?

!AS:Wir hatten keine Probleme. Die Amerikaner sind vielleicht im allgemeinen etwas oberflächlicher als Europäer, können sich aber im Gegenzug auch sehr schnell auf neue Dinge einlassen. Das kann man schon an den Billings von Konzerten und Festivals erkennen. Da spielt meinetwegen Ozzy Osborne mit Pantera. So etwas würde bei uns nicht funktionieren. In den Staaten gehts. Wenn eine Band cool ist, oder gut spielt, dann geht das Publikum mit, egal ob man nun einen grossen Namen hat oder nicht.

?PG: Ihr habt doch auch mal Metallica supportet, oder?!

!AS: Ja genau, wir waren der Opener bei einem ihrer Gigs in Stuttgart. Das war schon der absolute Knaller. Metallica sind meine erklärten Heroen. Als ich Backstage die ganzen Flightcases mit dem Metallica-Schrifzug stehen sah, kam schon ein ziemlich komisches Gefühl und absolute Vorfreude auf.

?PG: Hattet ihr die Möglichkeit, die Jungs näher kennenzulernen oder schotten sie sich wirklich so ab, wie man sich das gemeinhin erzählt?

!AS: Keine Chance! Sie sind zum Gig direkt aus dem Hotel gekommen und als sie fertig waren umgehend wieder vom Ort des Geschehens verschwunden. Aber das ist okay. Die Jungs sind halt ständig unterwegs und wenn du zwei Jahre am Stück auf Tour bist, musst du nicht mehr jede Band kennenlernen, mit der du am Abend zusammenspielst. Für uns war es trotzdem ein gigantisches Ereignis.

?PG: Zurück zu deinem Gitarrenspiel. Du fährst einen ziemlich fetten Sound. Im Studio kann es, bei der Umsetzung des Traumes eine möglichst dichte Wall Of Sound aufs Band zu kriegen, häufig zu Problemen, wenn nicht gar Enttäuschungen kommen. Hast du einschlägige Tipps zum Thema?!

!AS: Einfach ist das wirklich nicht. Ich habe eine zeitlang sehr viel herumexperimentiert. Schon als wir unsere Demos noch selber auf einer 8-Spur Maschine im Kinderzimmer unseres Keyboarders aufgenommen haben, testete ich wie ein Wilder mit den unterschiedlichsten Abnahmemöglichkeiten herum. Ich stellte Mikros vor, über, neben die Box, arbeitete mit mehreren Mikes gleichzeitig und veranstaltete so einen tierischen Aufwand. Mittlerweile gehe ich die Sache pragmatischer an. Ich habe gelernt, dass es meistens reicht, ein gutes Mikro an der richtigen Stelle vor der Box zu positionieren. Den Punkt, an dem die Abnahme am ausgewogensten klingt, muss man immer wieder neu bestimmen, da seine Lage unmittelbar von den Klangeigenschaften des Raumes abhängt, in dem die Aufnahme stattfindet. Ich verwende meistens Beta 57 und 58. Ab und zu kommt auch mal ein AKG zum Einsatz. Wichtig ist eines: Der Sound muss ohne EQ- Bearbeitung gut klingen, sonst sind die Ergebnisse beim Endmix nur ziemlich dürftig. Noch ein Tipp: Man sollte nie mit zuviel Gain am Amp arbeiten. Ich reduziere bei Aufnahmen ganz bewusst den Grad der Verzerrung, da der Sound so wesentlich transparenter wird und Dynamik- und Spieldetails beim Abmischen besser herauskommen. Außerdem verzichte ich fast gänzlich auf Hall- und Delayeffekte und doppele alle Gitarrenparts. Früher habe ich auf der Bühne mit minimalen Delayanteilen gearbeitet, um den Dopplungseffekt auch live zu simulieren. Mittlerweile weiß ich, dass es viel wichtiger ist, ein direktes, exakt gespieltes Signal anzubieten. Ein Grossteil des Sounds, kommt eben doch aus den Fingern.

ÜBRIGENS: Weiter Infos zu Alex Sound- und Spielphilosophie findest du im angeschlossenen Workshop!

?PG: Eine wunderbare Überleitung zu der Frage: Wie sieht es mit deinem Equipment aus?

!AS: Ja, genau (lacht)! Ich spiele ein Racksystem. Als Vorstufe kommt ein Marshall JMP-1 zum Einsatz. Für die nötige Power, sorgen Mesa Rectifier-Endstufen. In den JMP schleife ich außerdem, zu hundertprozent, ein TC G-Force ein, so dass ich das integrierte Noisegate mitbenutzen kann. Im Rack habe ich dann noch meinen Sender von Shure und ein Racklight für den Durchblick. Eine zeitlang habe ich auch mit allen möglichen EQs herumexperimentiert. Gerade das Arbeiten mit parametrischen Equalizern kann aber zu einer Never Ending Story werden. Irgendwann habe ich dann einen Trick herausgefunden, der mir ziemlich geholfen hat, mit den Teilen korrekt umzugehen. Ich habe einzelne Frequenzbereiche voll aufgedreht und die Anteile gesucht, die mir persönlich überhaupt nicht gefallen. Wenn ich dann fündig geworden bin und der Sound so richtig beschissen geworden ist, drehe ich den dafür verantwortlichen Frequenzbereich kurzerhand raus. Und ich habe noch einen Tipp auf Lager. Ich stelle meine Box so hoch, dass mir die Speaker direkt ins Ohr braten. So bekommt man am ehesten einen Eindruck davon, welchen Sound das Mikrofon beim abmiken angeboten bekommt und man kann seinen Amp und die Klangregelung so einstellen, dass der Boxensound wirklich so ist, wie man es sich im Endeffekt vorstellt. Hat man die Box in Kniehöhe, dann regelt man sein Zeug so ab, dass der Sound in dieser Position optimal klingt. Das kann dann aber für das Mikro mehr als grauenhaft sein. Und das halte ich für wenig sinnvoll.

?PG: Du bist seit einigen Jahren recht eng mit ESP verbandelt. Wie ist es zu dieser Connection gekommen?

!AS: Da muss ich ein bißchen ausholen. Meine erste richtig vernünftige Gitarre war eine Washburn. Meine Freunde hatten Marathon-Klampfen oder RG's, aber ich wollte unbedingt diese Washburn. Sie hatte eine ziemlich abgefahrene Lackierung und eine aktive Elektronik mit Mid-Boost. Also habe ich angefangen Zeitungen auszutragen. Als ich die Kohle zusammen dann hatte, habe ich mir diesen Wunsch erfüllt. Als die Band dann immer erfolgreicher wurde, habe ich beim deutschen Vertrieb von Washburn nachgefragt, ob sie nicht Interesse an einer Zusammenarbeit hätten. Ich habe dann zwei S-100 bekommen, mit denen ich auch sehr zufrieden war. Später wechselte dann der Vertieb zu Soundservice nach Berlin. Ich habe dann Kontakt aufgenommen und wir sind auch sofort gut klargekommen. Stefan bot mir dann an, ESP Gitarren anzuchecken und ich war absolut begeistert. Ich habe mir gerade erst zwei Instrumente bauen lassen. Beide haben einen Korpus aus Esche und sind mit EMG-81 Humbuckern bestückt. Ich stehe total auf den präsenten Sound eines Esche-Bodies. In Verbindung mit den EMG's, geht da richtig was ab!

?PG: Mal was anderes. Wie seit ihr eigentlich auf den Namen Farmerboys gekommen. Der passt ja nun mal so überhaupt nicht zu euch?!

!AS: Dafür ist der Kollege, der hier drüben sitzt, verantwortlich (zeigt auf Dennis Hummel, den Keyboarder der Band).

!DH: Das Ganze geht bis in unsere Schulzeit zurück. Mattes, Alex und ich waren in der gleichen Klasse und hatten uns einen Schulkollegen herausgeguckt, den wir ständig in irgendeiner Form hänselten. Er stammte aus einer bäuerlichen Familie. Seine Eltern hatten eine Lohndrescherei und um uns einen Spass zu erlauben, haben wir damals einen Song geschrieben. Diesem Song, geprägt von Alex intensiver Gitarrenarbeit und verzerrten Keyboards, gaben wir den Namen Bauerpower. Er hat sich tierisch aufgeregt und uns ziemlich gehasst. Unser Gaudibandname war damals: Die Farmerboys. Und wir sind dabei geblieben!

?PG: Alles klar, danke für die coolen Tipps und Infos und viel Erfolg bei eurem Gig heute abend!

Alex hat mir für dich drei ziemlich fette Riffs mitgegeben. Du findest sie hier.

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